Als Unternehmer zu scheitern und dann darüber zu sprechen ist (fast) immer noch ein Tabu-Thema.
Ich habe lange überlegt darüber zu schreiben. Darüber geredet habe ich schon viel, erst nur ein bisschen, erst nur mit der Familie. Dann mit Freunden. Dann mit Bekannten , den Kreis ein wenig erweitert. Irgendwann auch mit Kunden.
Insolvenz, ja ich möcht über meine Insolvenz schreiben, Pleite, Zahlungsunfähigkeit, Illiquidität,Ruin, Konkurs, Bankrott wie man sie auch immer nennen möchte. Es geht um das Scheitern als Unternehmer!
Als dieses veröffentlicht wurde, habe ich auch schon eine Gegenanzeige in verschiedenen Zeitungen, im Internet und als Mail für unsere Kunden verbreitet. War echt schwer, muss ich zugeben.
So sah diese zu der Zeit aus:
Insolvenzbekanntmachung 2012
“Mitschuld bist du auch immer selber!”
Vergessen
Vergessen rechtzeitig die Rechnung zu schreiben. Vergessen die Baustelle abnehmen zu lassen. Vergessen das Gespräch zu suchen. Vergessen an zumahnen. Vergessen bei der Nichtzahlung die Baustelle rechtzeitig ab zubrechen. Vergessen das es auch schlechte Menschen gibt.
Vergessen rechtzeitig die Notbremse zu ziehen!
Es lief ja alles super! Mehr Aufträge, mehr Angestellte, mehr zufriedene Auftraggeber!
Bis dann die Zahlungen nicht mehr kamen. Abschläge und Schlussrechnungen wurden einfach nicht gezahlt. So kam es dann zu der Zahlungsunfähigkeit
Darüber zu sprechen oder gar darüber zu schreiben wer die Insolvenz verursacht hat, wurde mir empfohlen, soll ich doch lieber nicht!
“Macht sich nicht so gut” wurde mir gesagt.
Als insolventer Unternehmer wird man an den Pranger gestellt. Man findet dich in der Tagespresse, im Internet, bei Auskunftstaien, und so weiter und sofort. Als Chef der fremdverschuldet in die Insolvenz rutscht, darfst du aber nicht darüber sprechen wer daran Mitschuld trägt!
Scheiß drauf, ich tu es trotzdem! Ist ja mein Blog!
Hier die Namen der Unternehmen und Unternehmer die in der Öffentlichkeit garantiert immer gut da stehen:
1. X. Y. Bau GmbH, X. Y. neues Bauen GmbH in Bad Zwischenahn, Herr Sch. und Herr P.
2. Die Namen des Bau- und Generalbau Unternehmens mussten wegen Androhung einer Unterlassungsklage entfernt werden!
Macht bitte als Handwerker nicht den gleichen Fehler und vertraut diesen ach so netten Personen! Sollten diese den Geschäftsbetrieb erst mal schließen so machen sie mit weiteren Geisterfirmen, die bereits schon existieren an dem selben oder an anderen Orten weiter. Sie bewegen sich immer Randbereich der gesellschaftlichen Zulässigkeit und denen wird garantiert nicht das Handwerk gelegt. Kein schlechtes Gewissen, keine schlaflosen Nächte, keine Einsicht, keine Reue.
Ich gönne keinem Menschen etwas schlechtes, aber wie sagte einmal ein schlauer Mensch: “Ich gönne diesen Menschen das sie mal jemandem begegnen der genauso ist wie sie!” ..oder das mit dem Blitz beim Stuhlgang wäre auch gut!
Ich wünsche, dass denen einmal das passiert was uns passiert ist!
Als Unternehmer in die fremdverschuldete Insolvenz! Und was kommt dann?
Nun, ich möchte mich nicht so vielen anschließen, die zur Zeit über die Chance des Scheiterns als Neustart für das Unternehmen sprechen oder schreiben.
Nicht das ich jetzt falsch verstanden werde. Es ist gut über seine Erfahrungen zu sprechen und anderen die Möglichkeit zu geben diese Fehler nicht selber zu machen, etwas genauso gut oder noch besser zu machen als erfolgreicher Unternehmer. Stichwort “Fuck-Up-Nights”
Aber sind wir mal ehrlich wenn ich höre:
“Nach meiner Insolvenz brauchte ich erst einmal Zeit für mich und hab mich selber neu erfunden!”
oder
“Nach einer Auszeit habe ich mich selber und das Unternehmen neu aufgestellt.”
oder
“Ich habe mir einen Coach genommen!”
Bullshit!!!! Jammern auf hohem Niveau, nennt man das bei uns im Norden.
Wenn Du richtig Pleite gehtst, hast du kein Geld mehr! Alle Konten auf Null.
Der Verwalter sorgt dafür das du neu startest, aber auch von Null.
Zwei Firmenkonten auf null. Das Konto meiner Frau auf null. Gehalt meiner Frau weg! Verständnis meiner Banken, null. Ganz das Gegenteil war der Fall.
“Ein Guthaben geführtes Konto, wie es der Gesetzgeber vorgibt, als insolventer Unternehmer? Können sie ja gerne einklagen!”
Hilfe und Verständnis Null. Firmenwagen vom Insolvenzverwalter versteigert.
Dir hilft in dieser Zeit niemand! Es gibt keine Anlaufstellen für Unternehmen die im Insolvenzverfahren stecken. Nicht einmal die Handwerkskammer oder die Innung.
“Wir geben ihnen gerne eine Adresse eines Anwaltes für Handwerksrechte, mit dem wir zusammen arbeiten.”
Der hilft sich nur selber und das als erstes zu Geld. Wenn keines in Vorleistung gebracht werden kann.
“Tut uns leid aber wir können und dürfen Ihnen nur bei Vorauszahlung eines Prozentsatzes von… Summe X helfen.”
Ein Ratgeber für so eine Situation habe ich auch nicht gefunden.
Man versucht irgendwie das Ruder rum zureißen, ohne Erfolg. Schlaflose Nächte, in denen man alles mögliche überlegt. Selbstzweifel, Zukunftsängste, Krankheiten die einen zu Boden zwingen. Wir mussten in allen Bereichen Abstriche machen. Die ganze Famile hatte in dieser Zeit wirklich zu leiden, obwohl meine Frau und ich versucht haben alles vor den Kindern fern zu halten. Meine Frau hat in der Zeit voll und ganz hinter mir gestanden und auch alles versucht.
“Ich habe Dir immer noch für so vieles Danke zu sagen Mandy, das wir durch so viele Höhen und Tiefen des Lebens gemeinsam gehen. Danke! Ich liebe Dich!”
Die engsten Vertrauten um einen herum, die alles versuchen dir den Rücken zu stärken. Die Angestellten mussten sich eine neue Arbeitsstelle suchen. Ramona blieb bis zum Schluss und hatte auch sehr viel Mitgefühl. Wofür ich ihr immer noch sehr dankbar bin. Es kam wie es kommen musste, die Insolvenz wurde veröffentlicht. Kaum einen Monat später wurde der Betrieb wieder in die Eigenverwaltung frei gegeben. Ich hatte Glück, mein Insolvenzverwalter ist menschlich geblieben.
“Sie machen mir nichts vor und ich mache Ihnen in Ihrem Handwerk nichts vor. Der Betrieb läuft ja doch sehr gut. Bleiben Sie so ehrlich wie sie sind Herr Steenweg.”
Jetzt kommt nicht das ich das Rad oder das Malerhandwerk neu erfunden habe oder das ich wahnsinnig durch gestartet bin. Das was ich aus dem Ganzen gelernt habe ist:
Es gibt immer einen Plan B. Verbinde dich mit Menschen die Spaß an Netzwerken haben, die dir gut tun, die gutes tun und evtl. auch darüber sprechen. Schaffe ein großes Netzwerk, denn nur wer Beziehungen hat, kann diese auch nutzen. Schau wo deine Stärken sind und lerne diese zu nutzen. Bei mir sind es das Interesse an kreativen und ausgefallenen Oberflächen, Kunst und Handwerk zusammen zu bringen. Ökologische Werkstoffe zu verarbeiten, neue Dinge zu schaffen und immer wieder Neues zu lernen, da hab ich Bock drauf und das sind meine Stärken!
Kreativ, innovativ und ökologisch
So haut rein und teilt mir eure Erfahrungen mit.
Euer Malermeister mit Bock auf Blog!
Jens Steenweg
Hallo Herr Steenweg, wir kennen uns ja schon von anderen Plattformen. Aber ich möchte Ihnen auf diesem Wege meinen größten Respekt aussprechen. Auch uns ergeht es gerade so. Zum Glück ist der weitere Werdegang schon mit der Verwalterin besprochen und das macht Mut weiterzumachen. Aufgeben gibt’s nicht. Auch wir haben komplett den Arbeitsbereich gewechselt. Die Nachfrage ist da und die ersten Aufträge unter Dach und Fach. Das lässt hoffen und macht Mut weiter zu machen mit dem was man wirklich gut kann. Kreativ sein. Vielleicht lernt man sich ja mal persönlich kennen.
Moin Herr Schmalle,
hinfallen, aufstehen und dann weiter machen dazu gehört viel Mut als Unternehmer. Meistens klingt so ein Rückschlag sehr lange nach! Ich hab ihren Werdegang natürlich auch in den Sozialen Medien beobachtet und kann ihnen sagen das ihnen mein Respekt auch sicher ist! Für ihren weiteren beruflichen Weg drücke ich ihnen ganz fest die Daumen, sie machen das schon!
Über ein persönliches Treffen würde auch ich mich freuen. …vielleicht ja noch in diesem Jahr. 🙂
Vielen Dank Herr Steenweg, mit dem Treffen lässt es sich einrichten. Im März bzw April sind wir in Hamburg um einen Kundenauftrag abzuarbeiten. Da ist ganz sicher auch die Zeit für einen Kaffe in Ruhe.
Hallo Herr Steenweg,
mein Kompliment für diese offenen und ehrlichen Worte.
Wie heisst es so schön; “Hinfallen ist keine Schande, aber Liegenbleiben” .
Ich möchte nicht von der “Guten alten Zeit” reden, aber ich war noch als Bauleiter unterwegs, als das WORT auf den Baustellen noch Gewicht hatte. Heute muß man sich als Handwerksmeister gegen alle Eventualitäten absichern und vor allem immer damit rechnen, dass es zu viele unehrliche Geschäftspartner/AG gibt.
Wie Sie und Ihre Familie mit der Situation umgegangen sind und die Probleme letztlich gemeistert haben, sollte Anderen
Mut machen.
Ich wünsche Ihnen Alles Gute für den Neustart.
Farbige Grüße
Lothar Ode
SIO Farben
Moin Herr Ode,
danke das sie sich Zeit genommen haben diesen Blog zu lesen.
Mit meinem Beitrag will ich genau das erreichen “Mut machen”!!!
Die Anzahl an Menschen bei denen das WORT noch wieder etwas gilt wird wieder mehr bzw. wir suchen uns diese auch gewollt aus.
Der Mensch/unsere Kunden sind aber auch wieder mehr auf der Suche nach guten Handwerkern auf die verlass ist.
Kunden wissen den Wert einer hervorragenden Handwerker Leistung auch mehr zu schätzen als das der Preis immer ausschlaggebend ist.
Farbige Grüße zurück 🙂
Hallo Herr Steenweg,
Respekt das offen auszusprechen was Sie erlebt haben, habe vor Jahren auch einem Bauträger vertraut, der mir von einem Bekannten als “sauber” empfohlen wurde. ! Rechnung bezahlt, 2 Rechnung verspätet und gekürzt bezahlt Schlussrechnung fas ein Jahr lang mehrfach angemahnt, immer im Glauben an das Gute im Mensch. Danach Koller am Telefon bekommen inkl. wüster Beschimpfungen von meiner Seite mit dem Kommentar des GU, ich solle das Büro (seine Frau) nicht so anpampen. Ende vom Lied: 25.000,00 Euro nicht bezahlt bekommen, 2.500,00 Euro Anwalt, Titel über 13.000,00 Euro und 4 Wochen später die Insolvenz des GU, ach …. und der Knaller: 6 Wochen später in der Tageszeitung der die Bekanntmachung das jetzt ein anderes Familienmitglied in einem anderen AG-Bereich das Unternehmen mit
G L E I C H E M Namen und zweck eröffnet hat (erst die Mama, dann di die Tochter und dann wieder der Vater). Das nennt man dann ein eingespieltes Team.
Trotzdem noch ein paar Jahre danach weitergemacht, Herzprobleme, Bandscheibenvorfall und jetzt …. Sachbearbeiter beim Landratsamt in der Nähe. i found my paradise
Trotzdem kopf hoch und weitermachen
Da gehört ganz sicher der ein oder andere aus dem Wirtschaftsleben gezogen. Im Rahmen unserer Inkassotätigkeit kann ich auf jeden Fall bestätigen, dass mir die Firmen nicht komplett unbekannt sind.
Herr Steenweg,
danke, dass sie Ross und Reiter nennen. Das machen leider viel zu wenig Menschen.
Mir zeigt Ihre Erfahrung, was wir von Banken, Verwaltungen, Kammern zu halten haben:
Nichts.
Das sind nur lästige Mitesser, die es sich durch Zwangsgebühren am reichlich gedeckten Tisch gut gehen lassen.
ich kenne das nur zu gut. Von heut auf Morgen bricht alles weg. Wenn ich nicht Bargeld Reserven gehabt hätte, hätte ich nicht mal was zum Essen kaufen können.
Dazu kommt, das die Bank die Konten gesperrt hat, da ich aber immer weiter eingezahlt hatte, konnte ich ALG1 beantragen. Die ARGE in Bad Zwischenahn wollte das Geld aber nur Überweisen, aber auf welches Konto?
Nach langem hin und her bekam ich einen Scheck den ich dann in einer Postbank Filiale in Rastede einlösen konnte, das wiederholte sich noch 2 mal, bis mein Insolvenzverwalter mein Privatkonto wieder freigegeben hat.
Nach einem halben Jahr habe ich es dann endlich geschafft wieder einen Telefon und Internet Anschluß zubekommen.
Das ganze hat sich 2010 abgespielt, meine 6 Jahre Restschuldbefreiung ist jetzt auch rum, ich bin wieder frei, es wird aber noch bis 2019 in der Schufa stehen.
Ich wünsch Ihnen viel Glück, vor allem das Ihre Lieferanten Sie nicht im Stich lassen und nicht daruf bestehen nur gegen Vorkasse zu liefern
Hallo Herr Steiner,
die Insolvenz ist aus 2012!!!!!
in den vergangenen Jahren habe ich viel über Loyalität gelernt und darüber das man einige Personen oder Unternehmen ihren eigenen Weg gehen lassen muß.
Ist nicht weiter schlimm. Freunde kommen, Freunde gehen. Nur die richtigen Freunde (Personen) bleiben.
Diese Zeit hat ihnen und ihren Liebsten bestimmt viel Kraft gekostet?
Hatten Sie Hilfe in der Zeit?
Hallo,
leider hatte ich auch so eine Situation. Nur, weil ein langjähriger Kunde, dem ich blind vertraut habe nach 10 erfolgreichen Jahren zusammenarbeit, ließ mich mit einer fast sechsstelligen Summe sitzen. Da ich noch andere Aufträge hatte, u.a. auch von dieser HV, merkte ich es am Anfang gar nicht.
Dann kam der Knall und alles war futsch.
Nachdem die Firma freigegeben wurde, habe ich wieder alleine weiter gemacht. Ich Liebe unseren Beruf immer noch und habe generell wieder Spaß bei der Arbeit. Ich mache nur Aufträge, die ich machen will und wenn es muß, auch mal 7 Tage die Woche. HV sind für mich keine Kunden mehr, da das Gericht mein Anliegen abgeschmettert hat, unter der Begründung, ich muß jeden Eigentümer einzeln verklagen. Als wenn sowas geht?!
Nun ja, jetzt mache ich wieder viele Privatkunden und freue mich, wenn diese zufrieden sind. Und immer eine Anzahlung, damit die wichtigsten Rechnungen bezahlt werden können.
Ich mache lieber viele kleine Sachen und bei etwas größeren Aufträgen, hilft man sich untereinander als kleines Unternehmen. Es ist wieder viel menschlicher geworden.
Leider musste ich da alleine durch, da meine Frau schon zwei Jahre früher ihren eigenen Weg gehen wollte.
Ich finde es gut, das man darüber redet, es macht Luft und man weiß wieder, welche Ängste dadurch aufkamen und man jetzt wieder einigermaßen klar kommt.
Nur Namen nennen könnte nicht gut ankommen.
Wenn, dann nur unter der Anmerkung, seid Vorsichtig bei Firma XY. Nicht, das solche Typen auch noch Schadenersatz einklagen, wegen übler Nachrede oder so.
Nur als Tip.
So, jetzt freue ich mich, auf weitere Interessante Beiträge.
Grüße
Sven Scholich
Hallo Herr Kollege Scholich,
schön das ihnen der Beitrag gefallen hat und “Hut ab” das sie aus so einer bescheidenen Situation doch noch etwas Gutes gemacht haben.
Ohne Jemanden der einem den Rücken stärkt ist es schwer sich aus dem emotionalen Tiefpunkt noch zu motivieren.
Großen Respekt also auch an sie!!!
Ich freue mich über jeden begeisterten Leser,
also bis bald.
Farbigen Gruß aus Godensholt nach Berlin.
Jens St.